Gastfreundschaft auf der Walz: Lehrbauhof Frankenberg öffnet seine Türen
Spontane Hilfe: Handwerksgesellen – darunter Zimmerer, Schneiderin, Tischler und Bootsbauer – erhalten im Lehrbauhof Unterkunft und Frühstück
Frankenberg. Eine besondere Begegnung ereignete sich am 14.10.2025 in Frankenberg: Lehrbauhofleiter Peter Wilhelm traf zufällig im Hotel Rats-Schänke auf eine Gruppe von Handwerkerinnen und Handwerkern auf der Walz, die dort nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragte.
Hotelinhaber Peter Neuschäfer hatte zwar noch ein Zimmer frei, doch im Gespräch stellte sich heraus, dass es sich insgesamt um 14 Wandergesell*innen handelte – zwölf Männer und zwei Frauen aus unterschiedlichen Gewerken. Neben mehreren Zimmerern gehörten auch eine Schneiderin, ein Tischler und ein Bootsbauer zur Gruppe.
Da es bereits dämmerte und sich die Gruppe gerade nach einer passenden Unterkunft umsah – so wie das auf der Walz üblich ist –, reagierte Peter Wilhelm spontan. Er hatte das Gespräch im Hotel mitbekommen und bot den zwölf männlichen Gesellen kurzerhand eine Übernachtungsmöglichkeit im Lehrbauhof Frankenberg an. Die beiden Frauen konnten in der Rats-Schänke bleiben.
„Ich habe das Gespräch mitgehört und mir gedacht: Wir haben Platz – warum also nicht helfen? Im Handwerk hält man schließlich zusammen“, erzählt Wilhelm.
„Ich habe das Gespräch mitgehört und mir gedacht: Wir haben Platz – warum also nicht helfen? Im Handwerk hält man schließlich zusammen“, erzählt Wilhelm.
Gesagt, getan: Kurz darauf holte er den Firmenbus und brachte die Gruppe in den Lehrbauhof. Am nächsten Morgen bereitete Peter Wilhelm den Gästen noch ein Frühstück, bevor sie ihre Reise fortsetzten.
„Die Walz ist ein Stück lebendige Handwerkskultur. Wer sich auf diesen Weg begibt, zeigt Mut, Leidenschaft und Verbundenheit mit dem Handwerk. Wenn wir mit einer offenen Tür und einem Frühstück dazu beitragen können, diese Tradition zu unterstützen, dann ist das für mich selbstverständlich“, sagt Wilhelm.
Tradition trifft Moderne: Warum eine so große Gruppe unterwegs war
Normalerweise reisen Handwerker*innen auf der Walz allein oder in kleinen Gruppen von zwei bis drei Personen. Doch immer wieder schließen sich mehrere Gesellinnen und Gesellen zu größeren Gemeinschaften zusammen – sei es, um Erfahrungen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen oder gemeinsame Wegstrecken zu planen.
Solche Begegnungen sind fester Bestandteil der Walz: An sogenannten Herbergen, bei Schacht-Treffen oder zufällig unterwegs kommen Handwerker*innen ins Gespräch, teilen Erfahrungen und gehen ein Stück des Weges gemeinsam.
Auch in Frankenberg hatte sich eine größere Gruppe zusammengefunden – eine schöne Gelegenheit, Handwerksgeschichte lebendig zu erleben. Den offiziellen Stempel in ihr Wanderbuch erhielten sie am nächsten Tag im Sekretariat der Kreishandwerkerschaft Waldeck-Frankenberg von Alexandra Müller.
Handwerk verbindet Generationen und Grenzen
„Die Walz ist eine großartige Tradition – sie verbindet Handwerk, Weltoffenheit und Lebensmut auf ganz besondere Weise“, betont Kreishandwerksmeister Ulrich Mütze.
„Wer sich auf diesen Weg begibt, sammelt nicht nur handwerkliche, sondern auch menschliche Erfahrungen, die unbezahlbar sind. Diese Begegnungen zeigen, dass das Handwerk über Generationen und Grenzen hinweg verbindet – und das macht mich stolz.“
„Wer sich auf diesen Weg begibt, sammelt nicht nur handwerkliche, sondern auch menschliche Erfahrungen, die unbezahlbar sind. Diese Begegnungen zeigen, dass das Handwerk über Generationen und Grenzen hinweg verbindet – und das macht mich stolz.“
Am Vormittag entstand ein Gruppenfoto mit den Wandergesell*innen, Kreishandwerksmeister Ulrich Mütze, Lehrbauhofleiter Peter Wilhelm und den Maurer-Azubis des ersten Lehrjahrs vor dem Lehrbauhof – ein Symbol für die gelebte Verbindung von Handwerkstradition und Ausbildung.
Hintergrund: Was bedeutet es, auf der Walz zu sein?
Die Walz, auch Gesellenwanderung genannt, ist eine jahrhundertealte Handwerkstradition. Nach Abschluss ihrer Ausbildung begeben sich Gesellinnen und Gesellen für einen festgelegten Zeitraum – traditionell drei Jahre und einen Tag – auf Wanderschaft.
Ziel dieser Reise ist es, überregionale Berufserfahrung zu sammeln, neue Arbeitsweisen kennenzulernen und dabei persönlich zu reifen. Wer auf der Walz ist, trägt eine typische Zunftkleidung, die sogenannte Kluft, und führt ein Wanderbuch, in dem Stempel, Arbeitszeugnisse und Orte festgehalten werden.
Ursprünglich war die Walz den Bau- und Holzhandwerken vorbehalten, doch heute beteiligen sich viele Gewerke – vom Schneiderhandwerk bis zum Bootsbau. Die Tradition wurde von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt und steht sinnbildlich für gelebte Handwerkskultur, Offenheit und Gemeinschaft.
Foto: Gruppenfoto mit den Wandergesell*innen, Kreishandwerksmeister Ulrich Mütze (2.v.l. stehend), Lehrbauhofleiter Peter Wilhelm (2. v. r. stehend) und den Maurer-Azubis des 1. Lehrjahres.
Foto: Kreishandwerkerschaft Frankenberg
Foto: Kreishandwerkerschaft Frankenberg