Brot- und Brötchenprüfung der Bäcker-Innung
Der Duft der Qualität: Wenn Brot Geschichten erzählt
In Herzhausen trifft traditionelles Bäckerhandwerk auf strenge Prüfungskriterien – bei der Brot- und Brötchenprüfung der Bäcker-Innung geht es um mehr als nur gutes Aussehen: Es geht um Geschmack, Handwerk und Herzblut.
Die Mitgliedsbetriebe der Waldeck-Frankenberger Bäcker-Innung haben an der Brot- und Brötchenprüfung teilgenommen, einem freiwilligen Qualitätswettbewerb. Dabei werden Kriterien wie Form, Aussehen, Oberflächen- und Krusteneigenschaften, Lockerung und Krumenbild, Elastizität, Geruch und Geschmack bewertet, die zu einer Schulnote führen. Die Ergebnisse veröffentlicht das Deutsche Brotinstitut auf seiner Webseite.
Vöhl-Herzhausen – In die morgendliche Luft am fast leeren Edersee mischt sich der Duft von frisch gebackenem Brot. In der Herzhäuser Bäckerei Raabe herrscht bereits viel Trubel. Im Cafébereich stapeln sich verteilt auf einem großen Tisch und in vielen Körben die verschiedensten Brot- und Brötchensorten. Doch nur ein Teil der Backwaren stammt an diesem Tag aus Raabes eigener Backstube. Die meisten wurden von weiteren Mitgliedsbäckereien der Waldeck-Frankenberger Bäcker-Innung nach Herzhausen geliefert. Das Ziel: Jeder möchte sein Brot oder Brötchen am liebsten mit der Note „sehr gut“ auszeichnen lassen.
Zwischen all diesen Brotlaiben und Brötchensorten sitzt Michael Isensee – vor sich ein Laptop, direkt daneben ein großes hölzernes Schneidebrett und ein großes Sägemesser. Bei seiner heutigen Aufgabe ist das Messer eines seiner wichtigsten Utensilien. Er prüft im Auftrag der Deutschen Innungsbäckereien verschiedene Brot- und Brötchensorten. Bei der heutigen Prüfung warten rund 60 Proben darauf, von ihm genauer unter die Lupe genommen zu werden.
„Ich prüfe alles, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können“, erklärt Isensee einer Gruppe der Korbacher Ferienbetreuung, die gerade in der Bäckerei eingetroffen ist. „Welche Sinne haben wir denn?“, stellt er seine Frage an die Vier- bis Zehnjährigen. Viele sind noch etwas verlegen, einige ältere Kinder werfen verschiedene Ideen in den Raum: „Hören“, „Riechen“, „Sehen“.
„Wir prüfen, was wir sehen können“, beginnt Isensee und hält ein Brötchen nach oben. Er drückt es leicht zusammen, ein Knuspern ist zu hören. „Wir prüfen, was wir fühlen und hören können.“ Er legt das Brötchen ab, schneidet es einmal in der Mitte durch und hält es sich ganz dicht vor die Nase: „Wir riechen daran“. Er hält die Brötchenhälfte hoch: „Und was fehlt uns noch? Was ist das wichtigste von allem?“, fragt er die Kinder. „Wie es schmeckt“, rufen einige in den Raum. „Richtig, zu guter Letzt probieren wir das Brötchen.“ Isensee pult sich ein Stück aus der Krume, also etwas aus dem Inneren des Brötchens, heraus. Dann bricht er sich etwas von der „Rösche“, der knusprig und zart-splittrige Kruste ab.
Die andere Hälfte des Brötchens legt er zu den vielen anderen Brötchenhälften in einen großen Korb. „Ihr dürft euch gerne bedienen“, sagt er zu den Kindern und hält ihnen den Korb entgegen. Die Kinder greifen begeistert zu und probieren so manches Brötchenstück.
„Welches ist dein Lieblingsbrot?“, möchte ein kleines Mädchen wissen. „Ganz klar das Kartoffelbrot“, antwortet Isensee. Einige Kinder nicken zustimmend, andere sind ganz stumm. „Was, ihr habt noch nie von einem Kartoffelbrot gehört?“, fragt Isensee gespielt entsetzt. Viele Kinder schütteln den Kopf. „Das ist so schön saftig“, schwärmt der Brotprüfer.
„Wie viele Brötchenhälften sind da drin?“, fragt ein Junge mit neugierigem Blick auf den großen Korb. „Sagen wir mal, ich habe hier um die 150 Brötchen liegen, wenn die ich alle durchschneide, kommen wir heute auf insgesamt 300 halbe Brötchen – mindestens“, antwortet Isensee
Etliche Brötchenhälften später, ist es für die Kinder Zeit sich zu verabschieden. Und Michael Isensee konzentriert sich wieder ganz auf die weiteren Prüfungen. „Die Bewertung erfolgt nach einem Punktesystem“, berichtet der Brötchenprüfer, der mittlerweile auf 35 Jahre Erfahrung zurückblickt. „Kein Brot oder Brötchen bekommt 100 Punkte“, sagt Isensee und ergänzt: „Es gibt immer noch etwas Luft nach oben“. Ab 80 Punkten wird die Backware mit der Note „sehr gut“ ausgezeichnet. „Bei jeder Prüfung trage ich meine Ergebnisse in ein digitales System ein. Darüber wird dann auch die Endnote errechnet“, sagt der Brotprüfer.
Inzwischen hat Isensee alle Brötchen geprüft und es geht mit der Prüfung der Brotlaibe weiter. Die Brote liegen verteilt auf einem großen Tisch. In jedem Laib steckt ein Zettel, darauf steht die Brotsorte, das verwendete Mehl sowie die jeweilige Bäckerei.
„Bei der Prüfung der Brotlaibe gehe ich genauso vor wie bei den Brötchen“, berichtet Isensee. Er schneidet in der Mitte des ersten Brotlaibes eine Scheibe heraus und riecht daran. Dann pflückt er sich ein Stück aus der Mitte heraus und probiert es. Er bricht sich noch ein Stück der Kruste ab und trägt seine Ergebnisse im Computer ein. So geht es Brot für Brot weiter.
Am Nachmittag ist in Herzhausen noch immer der Geruch der vielen Brote und Brötchen zu erahnen. Mit vollem Bauch geht es für Michael Isensee an das Ausdrucken der Urkunden für die Bäckereibetriebe. Und so endet die diesjährige Brot- und Brötchenprüfung.
Zahlen, Daten, Fakten
Waldeck-Frankenberg – Die Zahl der Bäckereien in Deutschland ist weiter gesunken, berichtet der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Die Anzahl der bundesweiten Mitarbeiter in Bäckereien sei um 3,6 Prozent und damit auf rund 8900 Stellen zurückgegangen.
„1996 bestand die Bäcker-Innung Waldeck-Frankenberg noch aus 68 Bäckereien, 2017 waren es noch 33 Mitglieder. In diesem Jahr sind es nur noch 20 Mitgliedsbetriebe“, sagt Michael Bienhaus. Seit 2017 ist er Obermeister der Bäcker-Innung Waldeck-Frankenberg. Trotz der geringen Mitgliederzahl sei die Waldeck-Frankenberger Innung die zweitgrößte in ganz Hessen.
Für die Schließung der Bäckereien gebe es viele Gründe, so Bienhaus. Viele Betriebe hätten keine Nachfolger gefunden und mussten altersbedingt schließen. Ein weiterer Auslöser für die zurückliegenden Schließungen seien die stark gestiegenen Energiekosten zu Beginn des Ukraine-Krieges gewesen. „Ein Bäckerei-Inhaber hat mir berichtet, dass er statt 60.000 Euro pro Jahr nun 90.000 Euro an Energiekosten zahlen musste. Das war zu viel für den Betrieb“, sagt der gelernte Bäcker.
Ein weiteres Problem vieler Bäckereien seien die allgemein steigenden Kosten. „Neben den Energiekosten sind auch die Rohstoffpreise gestiegen“, erklärt Bienhaus. Der Preis für Kirschen sei in diesem Jahr beispielsweise um 50 Prozent gestiegen, auch Zucker sei deutlich teurer geworden. Hinzu komme die Forderung nach einem höheren Mindestlohn. „Wir können nicht gleichzeitig mehr für Rohstoffe ausgeben, unseren Angestellten höhere Löhne zahlen und die Preise unserer Backwaren auf dem bisherigen Niveau halten“, betont der Bäckermeister.
Seit zwei Jahren gehört die Bäcker-Innung Waldeck-Frankenberg dem Innungsverband Süd-West an, zu dem neben Hessen auch Rheinland-Pfalz zählt. „So haben wir als große Innung bei politischen Forderungen mehr Gewicht“, sagt Bienhaus. Zu den aktuellen Forderungen der Bäcker-Innung zählen eine Senkung der Energiesteuer sowie eine dauerhafte Reduzierung der Mehrwertsteuer. Außerdem möchte die Innung die Bonpflicht abschaffen. „Wir müssen für jeden Kunden einen Bon ausdrucken – egal, ob er ihn haben möchte oder nicht. Eine Rolle kostet 1,50 Euro. Jeden Tag werfe ich in meiner Bäckerei so viele Bons weg, dass im Schnitt eine ganze Rolle zusammenkommt“, berichtet Bienhaus.
Die diesjährige Brot- und Brötchenprüfung fand in der Bäckerei Raabe in Herzhausen statt, (von links) Frank Raabe, Michael Bienhaus, Obermeister der Bäcker-Innung Waldeck-Frankenberg, und Prüfer Michael Isensee.
© Bild und Text: Aileen Raddatz (WLZ)
Die diesjährige Brot- und Brötchenprüfung fand in der Bäckerei Raabe in Herzhausen statt, (von links) Frank Raabe, Michael Bienhaus, Obermeister der Bäcker-Innung Waldeck-Frankenberg, und Prüfer Michael Isensee.
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